Salvatore Mammolitis Darstellungen von reifen Früchten sowie Insekten gehören in die Tradition einer technisch bravourösen, ja virtuosen, hyperrealistischen Stilllebenmalerei, die in Italien bis ins 15. Jahrhundert zurückreicht. Auf verblüffende Weise hat diese Malerei der Naturwirklichkeit in den Früchtearrangements, symbolisch übersteigerten Manifestationen der Vergänglichkeit und des sinnlichen Genusses zu den Reflexionen der heutigen Zeitgenossen geführt, bei denen das Natürliche zum überall und zu Jederzeit erhältlichen Konsumgegenstand degeneriert ist, das Seltene und Exotische zum täglich Verfügbaren wurde und in der Kunst eine neue Bedeutung erlangt hat. Ich denke dabei an die ironische Ikonographie der Popkünstler von Oldenburg bis Warhol aber auch die französischen und amerikanischen Hyperrealisten. Mammolitis Stillleben veranschaulichen auch durch die Isolierung der Objekte in den weißen Bildräumen die vielfältigen Beziehungen von Natur und Kultur. Seine Früchte, die er gruppiert, teilt und öffnet, definieren sich nicht nur stofflich, sondern auch symbolisch. Als kunstvolle Reproduktion der bereits kultivierten Natur offerieren diese Stillleben eine Metaebene der kulturell überformten und interpretierten Natur. In ihnen dokumentiert sich die Beziehung von Kunst und Leben, von ästhetischem Schein und Gebrauchswert, von Fiktion und Realität, von Sinn und Sinnlichkeit. Auf den ersten Blick glauben wir, es handelte sich hier um die in Italien so beliebten Früchtedarstellungen, doch auf den zweiten Blick lernen wir Mammoliti als einen Zirkusdirektor besonderer Art kennen, der nicht mit wilden Tieren, sondern mit Früchten und Schmetterlingen eine Art zirzensisches Theater vorführt. Im Leerraum des Bildes ordnet er die Früchte zu akrobatisch anmutenden Gleichgewichtsübungen, spielt mit Schmetterlingen und Raupen, kombiniert in einer Art Monstranz einen Radicchiokopf mit einer Erdbeere im Inneren oder legt eine halbierte Birne so flach, dass sie wie der Akt einer liegenden Frau aussieht. Vor ihm haben bereits viele Maler den sinnlichen Charakter von Früchten entdeckt und haben dabei Metaphern für Körperteile mit sexuellen Konnotationen gefunden. Wir kennen die Analogie von Banane und Phallus aber auch die Bedeutungsspiele mit geöffneten Früchten und weiblichen Geschlechtsorganen. Mammoliti ist in diesem Sinne ein Surrealist, der mit seinem Inventar, der Welt der Früchte als ein Meister der hyperrealistischen Malerei verblüffende Bedeutungsspiele vorführt.
Peter Weiermair
Biografie
Salvatore Mammoliti wurde 1959 in der Provinz von Reggio Calabria geboren, wo er sein Studium am Staatlichen Kunstinstitut und an der Akademie der bildenden Künste mit einem "unmöglichen Interview" mit Giorgio De Chirico abschloss. Sein Studium des berühmten Künstlers und zugleich der Meister der Vergangenheit führte ihn zur Malerei als "Rückkehr zum Handwerk". Dieses Gemälde wird zwischen 1985 und 1987 in Brescia, im Atelier des Malers und Illustrators Giambattista Bertelli und später mit dem Wissen des Meisters Ulisse Sartini, einem international bekannten Porträtmaler, weiter vertieft. Bis 1992 war seine Malerei durch ein "magisches und inspiriertes Figurativ, mit einem vagen traumhaften Geschmack" vertreten, wie Paolo Levi es im Band
Immagine e struttura definiert. Das Interesse des Autors am fotografischen Bild wuchs im 1992, als er, nachdem er seinen Hang zur narrativen Malerei aufgegeben hatte, zu einem "konzeptuellen Hyperrealismus" kam. Die Werke dieser Zeit erregten die Aufmerksamkeit von Tiziano Forni, der sie 1995 in der Ausstellung
Continuità del talento präsentierte. Die Motive des "Scotch", die bereits in diesen Arbeiten vorhanden sind, werden zu einem festen Bestandteil der letzten Leinwände, wo durch die Transparenz dieses Klebstoffs interessante "Fruchtfragmente" eingesperrt werden. Die Ausstellungstätigkeit des Künstlers begann 1989 und seitdem hatte Mammoliti zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen in Italien und im Ausland. Er ist auch bei einigen Ausstellungen vertreten, wie dem
Suzzara-Preis (1992), den beiden Mailänder Ausgaben des
Imaginaria-Preises (1992, 1994), gefördert von der Rinascente-Gruppe, vier Ausgaben des
Carlo Dalla Zorza-Preises (1996, 2000, 2002, 2006), veranstaltet von der Galerie Ponte Rosso in Mailand und dem
Lissone Award (1999). Im Jahr 2006 beteiligte er sich in Zusammenarbeit mit der Galleria 44 in Turin mit seiner Arbeit
Equilibri in "Manifesto", einem künstlerischen Projekt, das die Stadt selbst anlässlich der Olympischen Winterspiele in Auftrag gegeben hat. Im Jahr 2008 führte er im Auftrag der Samuelis Baumgarte Galerie ein großes Stillleben mit Kirschen für die AIDA CRUISES auf dem Kreuzfahrtschiff AIDAbella durch.